Ich atme Hoffnung. Psalmen jenseits von Gewalt und Missbrauch
Ich atme Hoffnung. Psalmen jenseits von Gewalt und Missbrauch
Kurzrezension
Wie von und zu Gott sprechen angesichts der Erfahrung sexualisierter und spiritualisierter Gewalt?
Auf diese Frage gibt eine Betroffene selbst eine Antwort. Sophia Weixler findet in ihrem Buch neue Worte für uralte spirituelle Texte. Sie schreibt Psalmen – jenseits von Gewalt und Missbrauch. Diese reagieren existentiell und kreativ auf die biblischen Originale. Von den 150 biblischen Psalmen hat sie 84 Psalmen neu geschrieben. Jeder Psalm der Neuformulierung entspricht der Zählung in der Bibel, ebenso die Nummerierung der Verse. Sophia Weixler spricht Gott an als „ewige Liebe“ und „Lebendiger“. Mutig experimentiert sie mit Bildern für Gott, um aus der Enge patriarchaler Gottessprache heraus zu kommen. Sie stellt viele Fragen: „Soll es immer so weiter gehen? Lebendiger, schaust Du weiter zu?“ (Psalm 79,5). Das Sprechen über die widerfahrene Gewalt findet in Worten der Klage Ausdruck: „Meine Ewige Liebe, mein Leben, warum hast du mich allein gelassen, warum bin ich immer noch so weit weg davon, heil zu sein, warum muss ich so laut schreien, bis ich nicht mehr kann?“ (Psalm 22,2) Auch Wut und der Wunsch nach Rache gegen den Täter werden formuliert, etwa im Psalm 35, der mit „Seelenraub“ überschrieben ist: „Er soll vergessen, dass es Licht und Freude gibt. Er soll in seinem eigenen Schmutz ausrutschen. (Psalm 35,6)
Solche konkrete Gottessprache ist not-wendig, denn Weixler weiß, wie tiefgehend und zerstörerisch sich der Missbrauch auswirkt: „Sexualisierte Gewalt nimmt bereits alles. Spiritualisierte Gewalt nimmt einem auch das, was nach dem letzten Hemd noch übrig bleibt: das innerste Geheimnis eines Menschen. Menschen können diesen unantastbaren Raum betreten, sie können damit die Würde eines anderen Menschen rauben.“ (159f.)
Sophia Weixlers Sprechen von Gott trägt dazu bei, dass Menschen ihre Würde, ihren ganz eigenen inneren spirituellen Raum wahrnehmen und schützen können. Das ermöglicht spirituelle Selbstbestimmung: „Das Schreiben hat mir Handlungsmacht zurückgegeben. Es soll andere ermutigen, ihren Gott zu finden. Einen Gott, der es weh ums Herz ist, wenn sie Leidende sieht oder Ungerechtigkeit fühlt. Einen Gott, den sie anschreien können, dem sie die dunkelsten Gefühle erzählen dürfen.“ (160)
Dieses Buch ist hilfreich sich für Menschen, die mit den Psalmen leben, für Betroffene, die ihre Erfahrungen auch im Spirituellen thematisieren wollen und für deren Begleiter*innen.